Wie du kostengünstiger beschaffst, ohne das Hauptaugenmerk auf die Kosten zu legen

 

Studien haben gezeigt, dass gute Entwickler oder gute Entwickler-Teams nicht um paar Prozentpunkte besser sind, sondern um ein Vielfaches. Für eine Beschaffung möchte man genau diese guten Entwickler und Teams finden. Ist dies allerdings möglich, wenn man den Fokus zu fest auf den Preis legt? Genau diese Gedanken haben wir mit Heiko Faller, Geschäftsleitungsmitglied von Ergon, diskutiert. Ausserdem erhältst du Praxis-Einblicke in die Beschaffung eines Projekts, bei der der Fokus auf den Leuten und weniger auf dem Preis lag.

 

 

In Kürze:

  • Bei 30% höheren Kosten die 3-fache Leistung erhalten... wer würde dieses Angebot ausschlagen?
  • Gespräch mit Heiko Faller, Mitglied der Geschäftsleitung von Ergon
  • Das richtige Verfahren kann gute Anbieter motivieren, an einer Ausschreibung teilzunehmen
  • Billige Angebote sind in der Regel nicht preiswert.
  • «Hinterfragen», «Austauschen», «Gemeinsam»

 

 

 

Gute Entwickler sind mehr als 10 Mal produktiver als schlechte Entwickler!

 

Vielleicht hast du diese Behauptung auch schon gehört. Ende der 1960er Jahre untersuchten Sackman, Erikson und Grant (1968) im Rahmen einer Studie professionelle Programmierer mit einer durchschnittlichen Erfahrung von 7 Jahren. Dabei fanden sie heraus, dass das Verhältnis der anfänglichen Kodierungszeit zwischen den besten und den schlechtesten Programmierern etwa 20 zu 1 betrug, das Verhältnis der Debugging-Zeiten über 25 zu 1, der Programmgröße 5 zu 1 und der Programmausführungsgeschwindigkeit etwa 10 zu 1 war.

 

Es zeigte sich keine Beziehung zwischen dem Erfahrungsgrad eines Programmierers und der Codequalität oder Produktivität. In die gleiche Richtung gehen aktuellere Studien. Tubio et al. 2018 stellten fest, dass die Anzahl der Jahre an Erfahrung eine schlechte Vorhersage für die Leistung eines Programmierers ist. Akademischer Hintergrund und Fachwissen über aufgabenbezogene Aspekte scheinen verlässlichere Indikatoren zu sein.

 

Im Laufe der Zeit erhielt die ursprüngliche Studie von Sackman (1968) Kritik hinsichtlich Versuchsaufbau und Aussagekraft für die Praxis. Doch selbst nach Berücksichtigung dieser Mängel zeigen ihre Daten immer noch einen mehr als 10-fachen Unterschied zwischen den besten und den schlechtesten Programmierern.

 

 

«Gute Entwickler-Teams sind nicht 10%-30% besser, sondern um 100-900%

- also um einen Faktor 2 bis 10!»

 

 

Was bedeutet dies nun für deine Beschaffung? 

Du möchtest gerne die Entwickler in deinem Team haben, die dir diesen Faktor X an Leistung bringen, damit das Produkt schneller, in einer höheren Qualität und zukunftssicherer entwickelt wird.

 

Es stellt sich somit die Frage, weshalb der Fokus heutzutage immer noch auf dem Preis und nicht auf der Produktivität und der Qualität der Leute liegt, die die Umsetzung massgeblich beeinflussen. Jemand kann pro Stunde 30% mehr kosten, liefert dann aber 100-900% mehr Leistung... möchtest du ein solches Schnäppchen nicht einkaufen?

 

Es gibt erste Konzepte, die dieses Problem auf eine neue Art und Weise angehen und es möglich machen, selbst im Bereich der Richtlinien einer öffentlich-rechtlichen WTO den Fokus auf den Partner und nicht nur auf den Preis zu legen. Wie du bestimmt erahnen kannst, sollte das Framework agile.agreement hier deine Wahl sein.

 

 

 

«Warum liegt heute der Fokus bei der Beschaffung immer noch auf dem Preis und nicht auf der Produktivität der Leute, die das Projekt umsetzen?»

 

 

 

Dass dies funktioniert, möchten wir dir durch Erfahrungen von Heiko Faller im Rahmen eines aktuellen Projekts zeigen. Heiko war in unserem Beispielfall als Geschäftsleitungsmitglied von Ergon Teil des Angebotsteams. Er wacht in der Beschaffung über den partnerschaftlichen Prozess und die Einhaltung des «Fair-play».

 

 

Lieber Heiko. Nimm doch kurz mal unsere Leser mit, wie es dazu kam, dass wir jetzt zusammen ein Interview durchführen?

Gerne. Alles beginnt mit der Ausschreibung "Joining Forces" der Bundesanwaltschaft. Aus den Ausschreibungsunterlagen war zu entnehmen, dass ein Dialogverfahren gewählt wird. Es war vorgesehen, über mehrere Assessments die Anbieter kennen zu lernen und durch das explizite «Erleben des Gegenübers» zu beurteilen, mit wem eine gute Zusammenarbeit vorstellbar ist. Dieses Vorgehen hat uns dazu bewogen, an dieser grossen Ausschreibung teilzunehmen, da wir überzeugt waren, dank diesem Verfahren aufzuzeigen, wie gut wir wirklich sind. Wir hatten den Eindruck, dass hier Qualität, Fähigkeiten und Leistung gesucht und überprüft werden und nicht nur das günstigste Angebot. Obwohl wir über diesen Punkt auch noch sprechen müssen.

 

 

Dann lass uns doch gerade zu diesem Punkt kommen.

Die Erfahrung hat gezeigt, dass die günstigsten Angebote häufig nicht die preiswertesten sind.

 

In vielen Fällen sind die finalen Erstellungskosten auf Basis des vermeintlich günstigsten Angebots deutlich höher als der Angebotspreis der (teureren) Konkurrenzofferten, die Aufgrund der Ausschreibungskriterien (hauptsächlich Preis) den Zuschlag nicht erhalten haben. Die Gründe dafür sind vielfältig. Hier eine kleine Auswahl bekannter Situationen:

  • Im schlimmsten Fall wird kurz nach Beginn festgestellt, dass die Firma den Vertragsgegenstand gar nicht bauen kann. Es müssen neue Firmen/Kompetenzen dazu geholt, oder sogar eine neue Ausschreibung gemacht werden.
  • Eine Firma hat noch nie ein so grosses Projekt umgesetzt und hat keine Erfahrungen im Projektmanagement und der Kommunikation mit so vielen involvierten Stakeholdern. Dies kann auf zwei Arten enden: Entweder wird das Projekt durch ineffiziente Prozesse und zusätzlich benötigte Arbeitsstunden teurer, oder es wird entwickelt, bis das Budget aufgebraucht ist, ohne dass der Auftraggeber eine funktionierende und schon gar nicht die ursprünglich gewünschte bzw. vereinbarte Lösung erhält.

 

Wie kommt es nun, dass wir uns hier gemeinsam über Beschaffungen und agile.agreement  unterhalten?

Wir haben die Zusage für die Ausschreibung erhalten. Ich habe mich mit Thomas Molitor, der als Berater der Bundesanwaltschaft involviert war, über dieses neuartige Vorgehen unterhalten. Dabei habe ich gelernt, dass das Vorgehen auf dem Framework agile.agreement basiert. Und nun freue ich mich, meine Erfahrungen zu teilen.

 

 

 

«Die Erfahrung hat gezeigt, dass die günstigsten Angebote häufig nicht die preiswertesten sind.»

 

 

 

Das ist wirklich toll! Was ist aus deiner Sicht der Unterschied zu einer herkömmlichen Beschaffung, wenn man an einer solchen Ausschreibung teilnimmt?

Der zukünftige Partner wird ganzheitlich evaluiert. Das bedeutet, dass das Zusammenarbeitsmodell und der technische Lösungsweg im Zentrum stehen, nicht der Tagessatz/Stundensatz. Weiter dürfen alle Anbieter erst einmal fachlich, technisch und methodisch zeigen, was sie können und ihre Partnerschaftlichkeit unter Beweis stellen. Man merkt, dass es in dieser Art von Beschaffung darum geht, das Ziel wirklich zu erreichen. Dazu soll ein Partner gefunden werden, kein Lieferant. Man weiss, dass man in einem fairen Verfahren beurteilt wird und somit alle Anbieter «gleich lange Spiesse» haben. Die Evaluation erfolgt in mehreren Runden, bei denen jeweils ein unterschiedlicher Schwerpunkt gesetzt wird. So können die Anbieter bei jeder Runde das beste geben und der Ausgang des Rennens bleibt in der Regel spannend. Dies ist sehr wertschätzend und fühlt sich gut an. Die Glaubhaftigkeit wird schlussendlich noch dadurch erhöht, dass der Preis weniger gewichtet wird.

 

 

Ihr habt nun die Phasen «Vor der Beschaffung» und «Beschaffung» durchlebt und seid jetzt in der dritten Phase «Nach der Beschaffung», sprich in der Umsetzung. Was sind deine ersten Gedanken, wenn du an diese Beschaffung bis jetzt denkst?

Mein erster Gedanke ist: schön, dass die partnerschaftliche Zusammenarbeit höher gewichtet wird als der Preis pro Stunde. Ich schätze es, dass sich Auftraggeber und Lieferant(en) kennenlernen können und eine Partnerschaft bereits während der Ausschreibung etabliert wird. Es macht Freude, dass man die Werte der eigenen Firma aufzeigen kann und diese Werte auch einen Platz in der Bewertung/Beurteilung haben.

 

Wir erlebten einen Ausschreibungsprozess, der für uns als Firma sehr spannend und herausfordernd war. Es war teilweise schon etwas mehr Aufwand, aber das übergeordnete Ziel war ja genau das, was wir gewollt hatten – dass der für dieses Projekt und diese Situation passendste Partner gefunden wird. 

 

 

 «Das Ziel ist es, einen Partner zu finden, keinen Lieferanten.»

 

 

Dadurch, dass wir bereits in den Dialogrunden viele Projektmitarbeitende des Kunden kennenlernen konnten, starteten wir mit einem anderen Gefühl in dieses Projekt. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen Ausschreibung konnten wir bereits früh abschätzen, wie eine Zusammenarbeit mit dem Partner ablaufen und aussehen wird – es wird viel Unsicherheit beseitigt.

 

Nach dem Zuschlag sieht das agile.agreement vor, dass man als erstes gemeinsam einen Verhaltenskodex definiert. Dadurch weiss jeder, was die gegenseitigen Erwartungen sind und wie wir uns verhalten möchten. All das führte dazu, dass wir von Beginn an als ein grosses Team unterwegs sind, das ein gemeinsames Ziel verfolgt, so jedenfalls ist mein Gefühl. Ich hatte noch nie erlebt, dass das Denken in den Kategorien «Auftraggeber» und «Lieferant» praktisch inexistent ist. Dies führt auch dazu, dass wir bei auftretenden Problemen eine direktere, lösungsorientiertere, wohlwollendere oder kurz: partnerschaftliche Kommunikation und Vorgehensweise leben. Das Framework bietet verschiedene Tools an, wie z.B. den «Risk Share», der den Umgang mit unvorhergesehenen Mehrkosten regelt. Es hat uns beeindruckt, dass die gemeinsame Verantwortung in Form eines Risk Share bereits Teil des Vertragswerks ist.

 

 

Das agile.agreement begleitet den gesamten Prozess End-to-End und bietet in jeder Phase die passenden Praktiken, sowohl für die Kunden (Beschaffenden) wie auch für die Lieferanten (Anbieter).
Das agile.agreement begleitet den gesamten Prozess End-to-End und bietet in jeder Phase die passenden Praktiken, sowohl für die Kunden (Beschaffenden) wie auch für die Lieferanten (Anbieter).

 

 

Was sind Stand heute für dich die 3 wichtigsten Aspekte, damit eine gute Zusammenarbeit möglich ist?

Ich würde es auf die Wörter «hinterfragen, austauschen und gemeinsam» reduzieren. Es sollte für alle Beteiligten klar sein, welches die eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten sind. Dadurch ergibt sich eine Vorstellung, was der passende Partner mitbringen muss. Im Austausch müssen gewisse Grundsätze der Zusammenarbeit definiert und ein möglicher Lösungsprozess skizziert werden. Als drittes gilt es herauszufinden, was den beteiligten Personen wichtig in der Kommunikation ist, wie man die Schnittstellen gestaltet – zum Beispiel durch die Arbeit in einem gemeinsamen Tool.

 

 

Zur Firma Ergon:

Als schweizweit führendes Unternehmen schafft Ergon Informatik AG aus Digitalisierungstrends einzigartigen Kundennutzen – von der Idee bis zum Markterfolg. Ergon vereint Technologie-, Security- und Business-Kompetenzen und realisiert «smarte» Lösungen für komplexe Anforderungen. Die erstklassig ausgebildeten Experten entwickeln benutzerfreundliche Individualsoftware und international bewährte Standardsoftware für Kunden aus verschiedensten Branchen.

 

Das Unternehmen wurde 1984 gegründet und beschäftigt über 400 Mitarbeiter:innen.

Mehr zu ergon: https://www.ergon.ch/de

 

 

 

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Quellen:

 

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